Je geschäftiger du bist, desto langsamer solltest du treten

 

Artikel von Martine Batchelor,  

Aus: BCBS full moon Insight Journal , Übersetzung aus dem Englischen: Hannes Huber

 

Als ich in Südkorea als Zen-Nonne lebte, hörte ich von einer Nonne namens Songou Sunim und ich begab mich dorthin um bei ihr für drei Monate zu praktizieren. Sie war für ihre Einfachheit bekannt und ihre Hingabe an die Praxis.

 

Einmal praktizierte sie in einer Klause für mehrere Monate und entschloss sich, für diese Zeit nur rohe Nahrung zu sich zu nehmen, da dies die Dinge einfacher machte. Sie saß auch nur auf einer Matte und nicht auf einem Kissen, wiederum um die Dinge einfacher zu machen: Ich versuchte das; aber ich konnte es nicht. Ich musste auf diesen Verzicht verzichten.

 

Was mich allerdings am meisten bei ihr beeindruckte war ein Ausspruch, den sie einmal während wir gemeinsam Tee tranken, von sich gab. Sie sagte: "Umso geschäftiger du bist, desto langsamer solltest du treten."

 

Oft erinnere ich mich an ihre Anregung, wenn ich beginne mich geschäftig und aufgewühlt zu fühlen. Wir haben den Eindruck, dass je geschäftiger wir sind, umso schneller sollten wir sein und daher hetzen wir uns herum. Aber wenn wir uns das näher anschauen, dieses "Beschleunigen um mehr zu erreichen", oft schaffen wir weniger und oft fallen uns die Dinge auseinander oder bleiben auf der Strecke.

Wir sind durch unsere körperliche, mentale und emotionale Energie begrenzt und gleichzeitig kann es Begrenzungen in Zeit und Raum geben. Denken wir, dass wir über diesen Limits und Begrenzungen stehen und dass wir ungeachtet dessen herumrennen können und Projekte und Aktivitäten ansammeln können? Oder können wir diese Begrenzungen und Einschränkungen anerkennen, und statt sie zu bekämpfen und zu hoffen über sie hinausgehen zu können, uns auf eine kreative Weise mit ihnen einlassen.

 

Die Basis für ein kreatives sich einlassen könnte der Ausspruch sein: "Umso geschäftiger du bist, desto langsamer solltest du treten."

Wir können diesen Satz auf verschiedene Weisen nützen. Es könnte uns helfen uns anzusehen, wie wir uns organisieren. Nehmen wir zu viel auf uns? Sind wir realistisch bezüglich wie viel wir schaffen können? Wie arbeiten wir? Was sind unsere Annahmen? Und des weiteren noch, wie denken und fühlen wir? Müssen wir uns geschäftig fühlen um uns lebendig und wertvoll zu fühlen? Halten wir an Gefühlen des Umherhetzens und der Aufregung fest? Was würde es bedeuten etwas langsamer zu treten? Wäre das soo schlimm?

 

Es könnte uns helfen besser Prioritäten zu setzen. Was ist jetzt wichtig und essentiell? Was ist dringend und was ist weniger dringend? Wenn wir geschäftig sind und aufgeregt, dann scheint alles dringlich und essentiell zu sein - aber wir können nur so viel Multitasking betreiben bis wir zusammenbrechen.

Ein Schlüssel zu all diesen Fragen ist kreatives Gewahrsein oder Achtsamkeit. Wenn wir unserer Gedanken, Gefühle und Empfindungen auf interessierte Weise gewahr werden, dann ist es weniger wahrscheinlich, dass wir von der Hektik der Geschäftigkeit vereinnahmt werden. Wenn es uns wirklich gut geht, dann können wir viel schaffen, aber wenn wir krank oder müde sind, wir werden dann viel weniger schaffen. Können wir diese Gegebenheit akzeptieren, rasten, unsere Batterien wieder aufladen und wieder neu beginnen?

 

Wenn das Gefühl der Geschäftigkeit oder Hektik dadurch hervorgerufen, indem wir ständig uns selbst voraus sind, etwa an die nächste Sache denkend, während wir ein oder zwei Dinge jetzt tun - dann sind wir eigentlich im Prozess drei Dinge zu tun - ein oder zwei jetzt, und eine weitere Sache in der Zukunft.

 

Diese Tendenz des Erwartens und Voraussehens kann uns überwältigen und lässt uns angespannt und zerstreut werden. Aber eine Sache zu einer Zeit gut auszuführen, nicht zu langsam, nicht zu schnell, während wir uns total einlassen darauf, das kann einen Unterschied machen. Denn wenn es fertig ist, dann können wir zur nächsten Sache übergehen, ohne es festzuhalten oder ohne das zu bedauern, was gerade vorbei ist oder wie es gelaufen ist. Wenn wir die letzte Aufgabe komplett hinter uns lassen können, dann können wir uns auf die nächste Aufgabe die jetzt gerade gegenwärtig ist, voll einlassen.

 

Wenn wir uns hektisch fühlen oder den Impuls der Beschleunigung spüren, dann können wir versuchen unseres Körpers bewusst zu werden, stehend, gehend oder sitzend, nicht einer Vorstellung des Körpers, sondern: Wie fühlt er sich eben jetzt an?

 

Die Füße am Boden, der Rücken an den Bürosessel gelehnt, jemandes Hand schütteln, den Wind am Gesicht fühlen, falls du draußen bist. Auch könnte es hilfreich sein ein oder zwei Atemzüge zu spüren, - ein und aus, ein und aus; oder ganz unmittelbar unserer Umgebung gewahr sein - das Grün eines Feldes, das Blau des Himmels, die Freundlichkeit eines Mitarbeiters. Und dann zurück zur gegebenen Aufgabe, was ist als erstes zu tun, dann das nächste, alles in seiner eigenen Zeit getan, uns nicht verleiten lassen, indem wir herum hetzen und zu sehr uns selbst voraus sind.

 

Vor einiger Zeit habe ich gemeinsam mit Stephen Batchelor ein Alltagsretreat geleitet. Zum Frühstück hat Stephen vorgeschlagen, dass die Teilnehmer versuchen sollten, sich an diesem Tag bei der Arbeit nicht zu hetzen, sondern eine Sache nach der anderen ordentlich zu machen. Am Abend berichtete dann eine Teilnehmerin, dass sie generell ziemlich umher hetzte, aus Angst, sie würde nicht alles schaffen, was sie in ihrem Büro zu tun hätte. Sie hat ein Gefühl der Geschwindigkeit mit Effizienz gleichgesetzt. Aber an diesem Tag versuchte sie, was Stephen vorgeschlagen hatte - eine Sache nach der anderen, sie war sehr erstaunt, dass sie dies tatsächlich noch effizienter und weniger gestresst sein ließ, und daher fähig, mit jeder Aufgabe auf eine stabile, offene, kreative und ruhige Weise zu sein.